Bei herrlichem Sonnenschein kamen gut 20 Senioren zur Führung durch die uns vertraute Stadtführerin Frau Rhinow auf Vermittlung von unserem Schatzmeister Dr. Harald Schmidt-Brockhoff.
Die Borstei besteht jetzt 101 Jahren. Der Gründer und Stifter Bernhard Borst wurde 1883 als Sohn eines Akkordmaurers geboren. Die Familie mit 5 Kindern „wohnte gerade erbaute Häuser trocken“, d.h. es waren noch feuchte Zimmer, die während der Wintermonate durch das Heizen austrockneten. Mit 13 Jahren kam er in die Maurerlehre (Arbeitszeit 60 Std. pro Woche). Zum 15. Geburtstag nahm ihn sein Vater mit in die Gastwirtschaft. Dort sprach ihn ein „Preuße“ an, was er sich wünscht. Darauf antwortete er: „Zeichenmaterial, um Gebäude zu zeichnen“. Daraufhin ging der Preuße mit ihm in einen Laden und kaufte das notwendige Material für ihn. Damit erstellte Bernhard Borst viele Zeichnungen für sich. Aufgrund dieser Unterlagen erhielt er die Erlaubnis an der Akademie zu studieren. Er studierte nur im Winter, da er im Sommer seinen Lebensunterhalt verdienen musste. 1908 war Borst Architekt.
Bald gründete er seine eigene Firma und hatte Anfang der 20er Jahre das größte Baugeschäft Münchens mit eigener Ziegelei in Freising und eigenem Sägewerk in Thalkirchen. Dieses Gelände gehörte der Stadt München, die ihm kurz vor Weihnachten 1923 mitteilte, dass sein Mietvertrag gekündigt wird und er bis zum Frühjahr das Gelände zu räumen habe. Er erwarb gezwungenermaßen ein Gelände von 90.000 qm an der Dachauer Straße, um das Sägewerk zu verlagern. Kurze Zeit später teilte ihm die Stadt mit, dass der Mietvertrag in Thalkirchen doch verlängert wird.
Auf dem Gelände an der Dachauer Straße erstellte er ab 1924 in vielen Bauabschnitten Wohnhäuser für höhere Ansprüche mit Wohnungen bis über 100 qm. Die Häuser hatten eine eigene Wäscherei und ein zentrales Heizwerk. Bis 1928 entstanden 77 Häuser mit 772 Wohnungen, 3778 Räumen für etwa 2.000 Bewohner. Zusätzlich gab es 150 Garagen für Autos.
Zwischen den Häusern befinden sich viele Grünanlagen mit Brunnen und Skulpturen. Prof. Alwin Seifert gestaltete die Anlagen. Zusätzlich gibt es Geschäfte für den täglichen Bedarf, wozu auch heute das Café gehört.
Bernhard Borst wohnte selbst in der Wohnanlage. Er starb 1963 und wurde im gegenüberliegenden Westfriedhof begraben. Heute gehört die Anlage einer Stiftung, die die Stadt München betreut.
Nach der äußerst interessanten Führung kehrten wir in das Café ein, um uns zu erfrischen und über das Erlebte zu diskutieren. Die Führung war ein besonderes Erlebnis.